Aus Renés Vortrag „Die Antwort auf die Leib-Seele Frage als wesentliches Mittel zur sozialen Kontrolle und Unterdrückung“ anlässlich der Konferenz der Radical Philosophy Association in der Brown Universität in Providence, Rhode Island, USA am 7. November 2002:
„Stellen sie sich einfach den Geist als nichtlokale Entität vor und das Gehirn ist "nur" der Empfangsapparat dafür, also wie ein Radioapparat oder ein TV Set. Unmittelbar ist klar - töricht wäre, wer im Radioapparat eine kleine Mini Kapelle vermuten würde, die da die Musik spielt. Analog ist demnach derjenige genauso töricht, der im Gehirn mentales Erleben sucht.“
„Menschen können aus denselben Gründen das Verschiedenste, ja sogar Gegensätzliche, tun, und sie können aus den unterschiedlichsten Gründen dasselbe tun. Das ist die Ontologie der menschlichen Freiheit. Wer also Gründe mit Ursachen vertauscht, tut dies bestenfalls ahnungslos, hat aber in der Regel Gründe dies zu tun: die Stabilisierung der herrschenden Verhältnisse, das Verunmöglichen von emanzipatorischem Denken.“
„Nur mit b) Positionen sind menschliche Kategorien überhaupt konstituierbar bzw. konstruierbar, weil sie von einer prinzipiellen Undeterminiertheit persönlicher Entscheidungen ausgehen. Erst unter dieser notwendigen Voraussetzung trifft das Individuum bei seinen Handlungen aus einer Auswahl eine Entscheidung und dann, und nur dann, kann es diese auch verantworten. Ein Gegenbeispiel macht das deutlich: ein Computer kann z. B. prinzipiell keine moralische Qualitäten besitzen und kann prinzipiell auch keine Schuld auf sich laden, er ist einfach nur ein Objekt. Jede
metaphorische Verwechselung des "Mind" als "Computer-Brain" leugnet diese spezifisch und wesentlich menschliche Kern-Qualität ab. Sie werden später noch sehen, wie wesentlich dieser Punkt ist und daß das Recht durch das Gutachten der "Schuldunfähigkeit" nicht nur zur Karikatur, sondern dadurch zu einer besonderen Unterdrückungsmasche verkommen ist.“
„Die geläufige Antwort auf das Geist/Körper Verhältnis läßt sich also einfach als Funktion eines Herrschaftsverhältnisses erkennen. Sie soll gesellschaftlich eine Gezwungenheit vortäuschen, wo eigene Partizipation möglich wäre. Das Mentale als ganz persönliches Erleben, das Wissen um eigene Geheimnisse, soll - im Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen - als verursacht, also determiniert angenommen werden, also in gezwungenen, kausalen Bahnen verlaufen und ausforschbar sein.“
Aus einem Interview aus dem Jahr 2012 – Frage 8: „Angenommen, die Psychiatrie würde abgeschafft. Wie sähe deiner Meinung nach ein gesellschaftlicher Umgang mit Verrücktheiten und Irresein aus?“
Antwort René: „Ein alltäglicher. Eben keiner, der irgendeines Spezialisten bedürfte. Wenn mit “gesellschaftlicher Umgang mit Verrücktheiten und Irresein” gemeint sein soll, was der Umgang mit jemandem ist, der nervt, dann ist die Antwort: Das hängt davon ab, wie wichtig bzw. nah diese Person der/m Betreffende/n steht ist und welche zeitlichen Möglichkeiten er/sie hat. Dann reichen die vielfältigen Reaktionen von fliehen, ignorieren bis zu interessieren, intensiv beschäftigen, Hilfsangebote machen usw.“
Ein gelegentlich von René gehörter lebensweiser, praktischer Ratschlag, sich nicht verfrüht zu sorgen: „We cross the bridge, when we come to it.“
Zu mir: Im Winter 2003 haben wir uns bei einer Kampagne kennengelernt und seitdem streite ich mit René – im doppelten Sinne: mich mit ihm und an seiner Seite. Ich danke Dir sehr für so Vieles.
Berlin, Oktober 2022
© Alice C. Halmi