transatlantik UNTER BUNTEN SEGELN REISEBERICHT EINER ATLANTIKÜBERQUERUNG AUF DER S.Y. CORPUS CHRISTI aufgeschrieben zur Jahreswende 1987/88 von ERLEND BETH in Form gebracht zu seinem 42. Geburtstag von MARIKA KLEIN Freitag, 27.11. Gestern haben wir unsere 1. Etappe abgeschlossen; mittags sind wir nach 420 sm in Las Palmas eingelaufen. 3 1/2 Tage haben wir von Sqfi (Marokko, südl. von Casablanca) gebraucht, wobei wir real nur 380 sm gelaufen sind, den Rest hat die Strömung besorgt, sodaß wir mal wieder ca 1/2 Tag früher da waren als geplant. Von diesen Tagen hatte es nun einer in sich; und zwar hatten wir viel Welle ( ca 2-3m hoch) schräg von achtern und wenig Wind. Das hatte ein unheimliches Gegeige zur Folge mit bis zu 35° zu jeder Seite, sodaß an Schlaf nicht zu denken war: man ist in der Koje - obwohl die ja nicht gerade breit ist - ständig hin und her gerollt. Da ich in der Beziehung ja sowieso ziemlich empfindlich bin, war ich natürlich am nächsten Morgen total genervt. Und da sind mir natürlich Bedenken gekommen zwecks Atlantik, da bei der Überfahrt solche oder ähnliche Wetterlagen die Regel sind. Auch von anderen Seglern ist bekannt, daß sie total fertig waren und nur noch Beruhigungsmittel geschluckt haben. Das Problem ist nur: wie soll ich das entscheiden? Ratschläge kann mir niemand geben, gut zureden geht auch nicht. Ich kann's eigentlich nur darauf ankommen lassen - wenn man auch nur 1-2 Tage unterwegs ist, gibt es kein Zurück mehr, da man nicht gegen Wind und Strömung ankreuzen kann. Das ist also der Stand der Dinge - und ich muß mich bis Montag entschieden haben, da es dann weitergehen soll. Nun mal weiter mit dem bisherigen Reiseverlauf: Angerufen hatte ich ja das letzte mal von Motril (südlich von Malaga). Das war der Hafen, den wir nur schwer erreicht haben. Bis mittags des betreffenden Tages war schöner Wind, der kam zwar von vorn, aber trotzdem. Dann briste es jedenfalls auf und im Nu hatten wir 2-3m Welle und Wind bis Stärke 7 von vorn und es waren nur noch ca 10sm bis zum 'rettenden Ufer'. Nach längerem Überlegen wollten wir es trotzdem versuchen Motril zu erreichen. Nur mit Fock (=kleines Vorsegel) und Besan (=kleines Segel am hinteren Mast) versuchten wir gegen an zu segeln. Und das war ein mühsames Geschäft, für das wir schließlich 10 Stunden benötigt haben. Teilweise 'segelten' wir auf der Stelle und kamen überhaupt nicht vom Fleck (das konnte man über Peilung eines Leuchtfeuers feststellen). Ein Teil der Leute war mehr oder weniger seekrank. Mir selbst ist das Wasser trotz Ölzeug von oben in die Gummistiefel gelaufen und nasse Füße tragen nicht zum Wohlbefinden bei. Letztendlich war dann auch die Hafeneinfahrt nicht zu finden, weil einmal die Kennung des Feuers nicht mit unseren Angaben übereinstimmte, zum anderen war es schwer auszumachen, weil die Küste so hell erleuchtet war (Häuser, Straßen, Reklame). Auch lag die Hafeneinfahrt auf Legerwall, d.h., Wind und Welle stand auf das Ufer, was für ein Schiff immer gefährlich ist, weil man unter bestimmten Umständen nicht mehr davon freikommt und unweigerlich aufs Ufer gesetzt wird. Hat aber trotzdem alles gut geklappt. Und ich muß schon sagen, daß das Schiff sich schon toll segelt und sich auch in solchen Situationen tadellos verhält (mit unseren gecharterten Schiffen wäre so etwas nicht möglich gewesen). Überhaupt sind Rene und Norbert - was die Segelei angeht - schon sehr zuverlässig und gehen kein Risiko ein, sodaß ich von daher und auch von der Seetüchtigkeit des Schiffes keine Bedenken habe. Von Motril aus haben wir dann, per Mietauto die Alhambra in Granada besichtigt. Hat sogar mich beeindruckt! Nächste Etappe war Gibraltar - toll wie der riesige Felsen nachts in der Dunkelheit auftaucht. Überhaupt ist das nächtliche Segeln sehr schön, erst recht natürlich bei Mond- und Sternenschein und neben dem Schiff springenden Delphinen. Andererseits muß man höllisch aufpassen, daß man nicht mit den tausend Fischern zusammenstößt. Navigation ist aber anhand der Leuchtfeuer etc. einfacher als tagsüber. Zurück zu Gibraltar: ist ein häßlicher und fürchterlicher Flecken, deshalb haben wir uns da auch nicht länger aufgehalten. Mit der Durchfahrt durch die Straße von Gibraltar hatten wir Glück - ging ruckzuck. Da hier starke Strömung und oft starker Wind herrschen, muß man den günstigsten Moment abpassen. Das ist uns ausgezeichnet gelungen: Strömung mitlaufend, Wellen (3m) schräg von hinten, ebenso wie der Wind, sodaß wir nur mit kleiner Segelfläche mit 8-10 Knoten (das ist unheimlich schnell) durch die Straße gebrettert sind und so sehr schnell in Tanger waren. Erster Eindruck von Marokko: Unheimlich bürokratisches Einklarieren (war in Spanien aber eigentlich nicht anders); die stehen schon am Kai und fragen nach den Pässen, wenn die Leinen noch gar nicht fest sind. Generell kann man zu den Hafentagen sagen, daß sie zu kurz sind und man die kurze Zeit überwiegend braucht, um einzukaufen. Von Tanger ging's vorbei an Casablanca nach Sqfi. Und dann weiter wie oben. Der Hafen von Las Palmas ist rammelvoll, da hier am Samstag die Atlantikregatta gestartet werden soll; folge ist, daß wir im Hafen ankern müssen und mit dem Dinghi übersetzen müssen um an Land zu kommen. Alles ein bißchen mühselig, da noch viel zu tun ist: Einkaufen und letzte Reparaturen und sonstige Vorbereitungen. Lutz und drei weitere haben heute ihren letzten Tag, ein neuer kommt heute, sodaß es ab morgen etwas mehr Platz gibt, was auch dringend notwendig ist. Für die Atlantiküberquerung sind wir dann noch zu neunt und ich denke, daß es von den Leuten her gehen würde, einige, wie einer, der Berliner, ist zwar etwas nervig, aber sowas wußte ich ja im voraus. Schade, daß Lutz nicht weiter mitfährt. Thomas ist übrigens schon in Gibraltar ausgestiegen, weil er die Nase voll hatte (Lagerkoller) und ist jetzt froh, daß es mit der Langfahrt nicht geklappt hat. Hier auf Gran Canaria ist es jetzt endlich so warm, wie ich es die ganze Zeit erwartet hatte: Kurze Hose - T-Shirt. Sonst waren immer Jacke und Pullover angesagt, die sich beide bestens bewährt haben. Eigentlich gäb's noch sehr viel zu schreiben - aber im Moment fällt mir nix mehr ein - ich laß den Brief mal ein bißchen liegen... So, jetzt hab' ich erst mal wieder den ganzen Tag am Schiff gewerkelt und war eben mit dem Dinghi noch an Land zwei Bier trinken. Einmal am Tag muß man einfach von Bord. Ein "Neuer" ist heut' nachmittag angekommen, scheint ganz nett zu sein. - Ansonsten ist mir aufgefallen, daß ich mir überhaupt noch nix gebrochen habe, wenn man mal vom "in den Finger schneiden" (beim Käse) absieht. Heute abend gibt's als Abschiedsessen Paella, natürlich kocht Lutz, der überhaupt viel und lecker gekocht hat. Im Moment bin ich überzeugt, weiter mit zu fahren, aber das ändert sich bestimmt noch ein paar mal in den nächsten Tagen. Soweit erst mal. 8.12.87 - 280 N 220 W Ich fang' mal wieder an, es ist gerade mal schönes Wetter. Also, das erste Auslaufen hat ja nicht viel gebracht, 10 sm hin, 10 wieder zurück; alles bloß, weil der Rene meint, auf den Wetterbericht verzichten zu können. Durch Zufall haben wir ihn dann unterwegs aufgeschnappt: Sturm 6-8', Böen bis 9. Mit uns sind dann auch 'ne Reihe anderer zurückgekommen. Freitag (4.12.) 21.00: Zweiter Versuch. Läßt sich alles ganz gut an. Sonntag/Montag haben wir schlechtes Wetter, Wind um die 5', Welle 2-4 m und ständig Regenschauer, so daß man ohne Ölzeug nicht an Deck kann. Stimmung ziemlich auf dem Tiefpunkt. Unter Deck bekommst du Beklemmungen, weil's dunkel ist und schlechte Luft, alldieweil man wegen Spritzwasser und Regen nix aufmachen kann. Bin eigentlich auch soweit zu sagen: hättste man nicht! Halte mich möglichst an Deck auf und schlucke Beruhigungspillen (hatte ich noch in Las Palmas besorgt). Alle sind mehr oder weniger krank (nicht nur von der See). Jedenfalls gings mir nach der Wache wieder gut und der Zustand hält auch an. In der Nacht haben wir die Passatgrenze erreicht, doch leider rührt sich mal wieder kaum ein Lüftchen, sodaß wir wieder unter Maschine laufen; immerhin scheint die Sonne und wir legen einen Badestop ein. Die ersten Reparaturen sind auch schon wieder fällig: Am Montag ist das Ruder der Selbststeueranlage abgebrochen, d.h., daß wir jetzt die ganze Zeit von Hand steuern müssen, das ist eigentlich nicht weiter schlimm, ich weiß aber nicht wie's wird, falls wir wirklich in einen Sturm kommen sollten. Als nächstes bekam das Großsegel einen lm-langen Riß (wird gerade geflickt) und um das Maß voll zu machen, läßt sich das Getriebe der Maschine nicht mehr schalten. Ich bin gespannt, was noch so alles passiert. Die ersten 500 sm von 2700 haben wir hinter uns und schaukeln zur Zeit angenehm unter Maschinenfahrt in der langen Atlantikdünung. Rundherum nur Wasser, blauer Himmel mit Passatwolken und die Sonne. Im Moment geht es mir blendend und ich hoffe, daß endlich etwas Ruhe einkehrt. Montag, 21.12.87, 19°N 49°W Der 17. Tag auf See und ich kann sagen: es reicht. Über 2000 sm haben wir jetzt hinter uns und wir hoffen am Freitag, den 25.12. anzukommen, sodaß es trotz aller Widrigkeiten trotzdem noch eine schnelle Überfahrt war. Wir haben jetzt den vierten Tag konstanten achterlichen Wind und laufen unter Spinnacker 8-9 Knoten und kommen somit gut voran. Das war aber bisher ganz und gar nicht so. Wenig Wind oder keiner und lange Dünung (bis 6 m hoch und bis zu 200 m lang) waren vorherrschend, sodaß wir schon insgesamt 120 Stunden unter Maschine gelaufen sind, was wir uns aufgrund großer Dieselvorräte auch leisten können. Ich kann eigentlich jetzt schon sagen, daß so eine Transatlantikfahrt zu lang ist; 3 Wochen nur Wasser, kein Schiff, nix. Wird auf die Dauer langweilig, von Problemen mit Frust etc. mal abgesehen. Trotzdem hat die Fahrt natürlich auch etwas Schönes: Die lange ruhige Atlantikdünung (an windstillen Tagen) ist schon faszinierend. Auf jeden Fall gibt es dieses Jahr keinen Passatwind, weshalb wir auch die ersten 14 Tage nur mühsam vorangekommen sind. Einen oder zwei Tage hatten wir sogar Westwind, also genau von vorn, was in diesen Breiten höchst ungewöhnlichh ist. Außerdem ist es extrem warm, schätze so 28°C; da wir mit achterlichem Wind laufen, kühlt der Fahrtwind nicht mehr so wie bisher. Am 15.12. hätten wir um Haaresbreite einen schlafenden Pottwal (so ca. 15 m lang) gerammt. Glücklicherweise ist er rechtzeitig aufgewacht und uns trennten noch 5 m voneinander; er selbst hat sich kräftig erschrocken und vor Schreck geschissen. Irgendwelches Viehzeug wie Fliegende Fische, eine Schildkröte, zwei Wale, Delphine, Seeschwalben sind so die einzige Abwechslung im täglichen Einerlei von Wache gehen (2x3 Stunden), Kochen, Essen, Schlafen. Da verfällt man dann leicht ins Grübeln, denkt an 'dahemm' und kriegt wohl auch ein bißchen Heimweh. Der Wetterbericht für Deutschland hebt das dann aber wieder ein bißchen auf. Die Stimmung ist eigentlich relativ gut, aber alle würden wohl auch gern mal ankommen. Das macht einfach mehr Spaß: öfter losfahren und dafür auch öfter ankommen. Ich bin gespannt, wie's in der Karibik wird. Mittwoch, 23.12.87 Die Stimmung steigt langsam in Erwartung des Landfalls, ob es allerdings bis Freitag was wird, ist noch fraglich, auf jeden Fall aber Samstag, wir laufen jetzt mit beständigen OSO 4-6 seit vier Tagen mit richtigem Kurs Richtung Antigua. Ankunft wahrscheinlich Freitagnacht; Problem dabei ist bloß, daß man nachts nicht einlaufen kann, weil es zu gefährlich ist. Wir müssen unter Umständen die Nacht noch beigedreht liegen. Montag haben wir noch mal kräftig auf die Mütze gekriegt. Mit rasanter Fahrt gings in die Nacht, die dunkle Wolkenwände mit kräftigen Böen und Regen produzierte, sodaß wir ruckzuck die Segel wegnehmen mußten. War vom Regen bis auf die Haut durchnäßt und das Wasser schwappte oben aus den Gummistiefeln. Die Regendusche war aber trotzdem sehr angenehm, war es doch die erste Süßwasserdusche seit fast 3 Wochen. Das Salzwasser geht einem nämlich ziemlich auf die Nerven. Alles schmeckt salzig, die Klamotten sind klamm und werden abends sofort feucht. Dienstag, 29.12.87 Also, es hat alles geklappt. Am 26.12. abends sind wir in English Harbour, Antigua eingelaufen. Alle waren froh, aber die großen Freudensprünge blieben aus, zumal wir noch nicht an Land durften, weil es zum Einklarieren schon zu spät war. Jedenfalls waren wir Weihnachten noch 200 sm von Antigua entfernt, Position 17°30'N 58°W und segelten unter Spinnacker mit vollem Speed Antigua entgegen. Ein spanischer Frachter bestätigte unsere Position, sodaß der Rest nur noch Formsache war. Zum Abendessen gab es dann Zwiebelsuppe, Pizza, Vanillepudding mit Karamel und Sherry. Am Freitag, 1. Feiertag, wurden wir mittags mindestens ein Stunde lang von einem Killerwal (5m) begleitet, mal links, mal rechts, mal vorne, mal hinten oder unterdurch. Sehr schön! Der erste Eindruck von der Karibik: es ist irgendwie unwirklich und ich habe das Gefühl, ich wäre im Film ("The harder they come"). Gestern haben wir uns in einer Bucht erholt und morgen heißt es wieder segeln. Von jetzt an aber immer nur Tagesfahrten und -etappen, alldieweil nächtliches Einlaufen in Buchten und Häfen wegen schlechter Befeuerung und Riffen gefährlich ist. Zwei gehen morgen von Bord und die nächsten kommen am Wochenende. Rene geht auch für ca. zwei Monate von Bord, weil er wohl fix und fertig ist und die Nase vom Bordleben gestrichen voll hat. Wenn er einen vernünftigen Preis bekommen würde, wäre das Schiff auch morgen verkauft. Flugmäßig bin ich jetzt schon am eruieren, kann aber noch nix sagen, hoffe, daß es über Paris klappt. Sonntag, 10.1.88 Hier geht nun für mich bald alles zu Ende. Ich habe auch schon einen Flug: am 26.1. von St. Martin nach Curacau, von dort am 27.1. abends nach Amsterdam, Ankunft 28.1. morgens, sodaß ich wohl abends in Saarbrücken eintrudeln werde. Hier verbleiben mir also gerade noch gut 14 Tage. Seit Samstag sind wir jetzt - mal wieder nach anstrengender Nachtfahrt - auf den Virgin Islands. Von jetzt an ist nur noch 'happy sealing' und baden angesagt. Vom Wetter, d.h. windmäßig werden wir wirklich nicht verwöhnt, es ist eigentlich ständig zu viel Wind, nach Aussagen Einheimischer. Die Virgin Islands scheinen touristisch fest in amerikanischer Hand und hier ist jetzt auch mehr Betrieb; außerdem fressen die wirklich nur Hamburger und Cheeseburger. Ansonsten ist es saumäßig teuer, sodaß Essengehen von vorneherein flach fällt. Billig ist nur der Rum, den man mit allen Varianten trinken kann, schmeckt astrein und kommt gut: abends bei Sonnenuntergang auf'm Schiff in schönen Buchten oder Strandkneipen mit Blick auf das Schiff. Irgendwie ist es schon paradiesisch. Die Leute hier habens echt gut, wenn ich ans Wetter denke; andererseits gibt's natürlich den krassen Unterschied zwischen arm und reich. Was wir bisher erlebt haben, so ist die schwarze Bevölkerung sehr freundlich, was z.B. auf Jamaica ganz anders sein soll. Na ja, da komme ich sowieso nicht mehr hin und ob die anderen dahin kommen ist wohl auch nicht so klar, meiner Meinung nach, denn ob René überhaupt wiederkommt is fraglich, er hat die Nse total voll. Wenn ich jetzt auch von Bord gehe und 14 tage später Anita (einzige Frau mit Segelerfahrung), dann ist nur noch Norbert (Rene's Stellvertreter) und zwei weitere mit Ahnung, auf die man sich verlassen kann. Der Rest ist total unbedarft und war z.T, noch nie auf einem Schiff. Norbert meinte, ob ich nicht noch länger bleiben wollte. Das geht zwar gut runter, aber ich glaube - selbst wenn es möglich wäre - mir langt's nach 3 Monaten auch, außerdem geht auch die Knete zur Neige. Ich fang' jedenfalls langsam an, mich auf 'dahemm' zu freuen. |
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