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2017: Meine Antworten in einem Interview für das Deutsche Institut für Menschenrechte (besser: Deutsches Institut für Regierungsgefälligkeiten) I: Was ist dein Verhältnis und deine Erfahrung mit Zwang in der Psychiatrie? RT: Ich kann freimütig sagen, ich war dreimal in der Zwangspsychiatrie, dreimal zwangseingewiesen. Zweimal in Deutschland, einmal in der Karibik, und kenne deswegen den Laden und den ausgeübten Zwang inwendig. Es waren extrem schlechte Erfahrungen. In der Karibik hatte ich das Glück, dass ich dann nach einer Woche ausgeflogen werden konnte. Ich habe in Deutschland meinen Pass wieder bekommen und konnte dann gleich abhauen. Also ab durch die Mitte, weil die hier ja keinen Beschluss hatten. Das war auch für mich der endgültige Beweis, was für ein bösartiges System das ist. Ich bin zu einem Freund gegangen und er hat mir dann einen sehr großen Betrag geliehen, weil es für ihn völlig klar war, dass es für Misstrauen keinerlei Anlass gab. Ich habe ihm natürlich nichts von der Psychiatrisierung erzählt. Aber damit war für mich auch nochmal durch diesen Freund der Beweis erbracht, dass die ganzen Unterstellungen der Psychiatrie reine Bösartigkeit waren. Ich konnte wieder in die Karibik zurückfliegen und es war für mich nochmal bestätigt, was für ein übles System das ist, und dass der Zwang letztlich immer das entscheidende Kriterium ist, mit dem das System unverträglich wird. Danach, im weiteren Verlauf der Zeit, habe ich mich noch mehr damit beschäftigt und dabei ist mir die Menschenrechtsfeindlichkeit, die dem Ganzen zugrunde liegt, richtig augenfällig geworden. Was man vorher für sich selber auch noch gar nicht mal so klar gesehen hatte. I: Mittlerweile bist du organisiert und unterstützt mit anderen Menschen, die Schwierigkeiten mit dem System Psychiatrie haben? RT: Na, ich bin Menschenrechtsaktivist. Es ist aus taktischen Gründen wichtig, dass sich auch andere Betroffene gegen dieses Zwangssystem organisieren, aber nur aus einem taktischen Gesichtspunkt. Strategisch ist das eigentlich völlig überflüssig, weil Menschenrechte prinzipiell für alle immer gelten müssen, und deswegen unerheblich ist, ob man die Erfahrung mit der Zwangspsychiatrie gemacht hat oder nicht. Sonst könnten sich ja andere Menschenrechtsaktivisten gar nicht für Andere einsetzen, weil sie zum Beispiel nicht, was weiß ich wo, gefoltert wurden oder ihnen die Todesstrafe angedroht wurde. Man kann sich immer für Menschenrechte einsetzen. Aber in dem besonderen Fall, in der Psychiatrie, war es und ist es schon sinnvoll, dass Betroffene sich erst mal selber untereinander aussprechen und treffen und dann ihre eigenen Interessen organisieren und nicht gleich von anderen, z.B. Sozialpädagogen deren Vorstellungen aufgedrückt bekommen. Das passiert oft sehr schleichend, weil die Betroffenen ja auch sehr verängstigt sind und ein gedetschtes Selbstbewusstsein haben. Und dann rutscht man leicht in so ein Verhältnis, wo sich wieder ein Paternalismus wiederholt, der in der Psychiatrie sein Bonanza feiert. (Bonanza ist ein englisches Wort spanischen Ursprungs für „ergiebige Goldgrube“ oder auch „Glücksfall“) I: Du hast schon die Menschenrechtsfeindlichkeit angesprochen. Viele würden dir ja recht geben, ja, das war so ein bisschen, die 70er Jahre sehr problematisch. Aber dann kam die Psychiatrie - Enquete und es hat sich ganz ganz vieles, ganz ganz stark verbessert. RT: Eine blanke Lüge ist das. Es ist immer mehr geworden, es ist die Sektor-Psychiatrie geworden, es sind immer mehr Menschen zwangseingewiesen worden. Jetzt sind es die Betreuungen, die einen völlig entmündigen. Ich will zwar nicht schönreden, was davor war, aber es ist die reine Vortäuschung einer Wahrheit, um sich zu entschuldigen. In der Juristerei nennt man so etwas eine Schutzbehauptung. Es wird etwas behauptet, was überhaupt nicht stimmt. Es wurde diversifiziert und umso mehr ist es eine Drehtürpsychiatrie geworden, während man vielleicht früher einfach abgehauen ist und sich dann woanders durchschlagen bzw. vergnügen konnte. Während jetzt ist die Psychiatrie eigentlich zu einem noch viel hermetischeren System in dem Sinne geworden, dass sie jetzt anfängt, auch noch in die Wohnung einzumarschieren. Das sind die neuesten PsychKG, die ihr jetzt auch noch das Recht einräumen, die Wohnung zu stürmen. Also, ich bitte dich, in den 70er Jahre wäre die große Änderung gekommen? Dass ich nicht lache. Ich würde einräumen, dass es vielleicht insofern eine gewisse Änderung gab, dass überhaupt mal jemand in die Schlangengrube, also im Englischen heißt das ja Snake Pit, geguckt hat. So weit. Und dass es auch gewisse Gutwillige gab, die meinten, da jetzt mit besserer Behandlung was zu ändern. Aber sie sind immer von dem Ansatz ausgegangen, dass eine Behandlung sein muss. Und am Ende sind die alle eingedampft, weiter mit dem Zwang. Zum Beispiel so jemand wie Dörner, der zwar groß das Maul aufgerissen hat, von wegen wäre es Geiselnahme. Aber wäre es tatsächlich eine Geiselnahme, dann müsste er doch ganz anders vorgehen, hätte einschreiten müssen. Das passiert nie. Das ist alles nur legitimatorische Rhetorik. Und tatsächlich wird weitergemacht. Das hat Frau Eichenbrenner von der BGSP mal so schön klar geschrieben: Natürlich machen wir weiter. Das ist das Grundmotiv und dabei bleibt es. Und es wird so lange so bleiben, wie der Zwang bleibt. Der wird mit der Rhetorik legitimiert beziehungsweise vertuscht und beschönigt. I: Du hast schon angesprochen, der Zwang ist mehr geworden, in den letzten Jahrzehnten. Was sind aus deiner Sicht, häufige Probleme bei Zwangsunterbringungen? RT: Ja. Die Unterbringung ist doch an sich ein Verbrechen. Wenn man es menschenrechtlich sieht, dann ist, insbesondere nach der Behindertenrechtskonvention, völlig klar, dass Freiheitsberaubung und Körperverletzung, wie sie durch Zwangsbehandlung erfolgt, folterartig zu nennen. So wird sie bei anderen beurteilt, die nicht so diagnostiziert wurden. Es gibt also eine prinzipielle Unterscheidung in Menschen und Geisteskranke. Die einen haben die bürgerlichen Rechte, an Geisteskranken aber kann man Körperverletzung, Freiheitsberaubung begehen, so wie es gerade Mal der Richter und der Arzt, vielleicht noch ein Betreuer gut finden. Da sind sie sich dann aber letztendlich immer schnell einig. Und nur mit einer speziellen Patientenverfügung, wo die Diagnose von vornherein ausgeschlossen wird, kann man sich dagegen schützen. (I: Ja.) Also das Problem ist der Zwang an sich, nicht, dass es mal da, mal da besondere Probleme gibt, sondern an sich. Das ist wie bei Folter. Was gibt es für besondere Probleme bei Folter? Naja, ab und zu tut es auch weh, oder wie? Das ist absurd. Die Frage ist an sich schon beinahe bösartig, weil implizit die Unterstellung darin ist, dass genau der menschenrechtliche Aspekt negiert wird. I: Da stehst du sicher auch sehr kritisch zu Fragen nach der Zwangsvermeidung? RT: Naja, das ist ja das Gleiche in grün, der gleiche Mist nur einmal umgedreht. Es ist haarscharf das Gleiche, denn wenn ich den Zwang vermeiden will, habe ich akzeptiert, dass er nötig wäre, es sollte nur ein bisschen weniger sein. Es sollten die Ketten ein bisschen komfortabler ausgestattet werden, so ungefähr. Der Zwang wird damit implizit akzeptiert. Und damit ist man menschenrechtlich auf der anderen Seite der Barrikade und zwar auf der Gewaltseite. Das ist völlig klar. Die Vermeidung hat akzeptiert, Zwang müsse sein, soweit man ihn eben nicht vermeiden könne. Wenn man hingegen sagt, ich will den abschaffen, kann man nicht mehr sagen, er sollte vermieden werden. An dem Beispiel Apartheid wird das sofort offensichtlich. Apartheid sollte ja wohl abgeschafft werden. Folter, Sklaverei, sie sind menschenrechtlich eindeutig geklärt. Nur in der Psychiatrie immer noch nicht, sondern man kommt auf so eine merkwürdige Idee wie Zwangsvermeidung. I: Für dich ist also die angemessene Frage, wie kann man Zwangsmaßnahmen oder Zwangspsychiatrie abschaffen? Was ist (RT: Ja.) deines Erachtens nötig, um das abzuschaffen? RT: Natürlich, gesetzlich müssen die Sondergesetze der Zwangspsychiatrie fallen. Es gibt drei Bereiche. Das eine sind die ganzen PsychKGe, beziehungsweise Unterbringungsgesetze oder, ich glaube, in Hessen heißt es noch Freiheitsentziehungsgesetz. Egal. Also die ganzen PsychKGe müssen fallen. Dann muss zweitens das Betreuungsgesetz mit allem, was da dran ist an Zwangsmöglichkeiten, fallen. Zentral, sogar da das wesentliche Element, ist, dass Betreuungen überhaupt gegen den Willen aufoktroyiert werden beziehungsweise aufrecht erhalten werden können. Das muss beseitigt werden. Betreuung muss eben treu zum Betreuten sein und nicht treu zum Gericht oder zum Arzt, vielleicht auch der Familie oder sonst jemandem sein, sie muss treu zum Betreuten sein. Aber dieses Wort ist gewählt worden, um die Leute zu täuschen, weil Betreuer eben gerade nicht treu zum Betreuten, sondern nur treu zum Gericht sind, dass das Ganze aufoktroyiert hat. Und der dritte Bereich ist selbstverständlich, dass der ganze Paragraph 63 im Strafrecht ersatzlos gestrichen werden muss. Als Zwischenziel könnte man formulieren, dass es nur noch den strafrechtlichen Rahmen, wie beim normalen Strafverfahren gibt. Bei der Verurteilung wird eine bestimmte Zeit terminiert, bis zu der die Einsperrung beendet werden muss. Und natürlich keinerlei Zwangsbehandlung, also insbesondere auch im Knast nicht. Also wenn, dann muss das freiwillig sein und durch Überzeugung mitgemacht werden, und nicht mit dem Zwang und Gewalt, wie es derzeit mit der extrem verlängerter Haftzeit in der Forensik der Fall ist. Ein Freund von uns, der war 19 Jahre für eine Tür, die er beim Nachbarn eingetreten hat und eine gewisse verbale Drohung, für 19 Jahre eingesperrt. Das ist noch länger, als man normalerweise für einen Mord sitzt. Aber in der Zwangspsychiatrie ist alles möglich. Und erst recht in der Forensik. Aber es fängt auch da ein bisschen an, dass mal reinguckt wird. Es ist zwar durch die Mollath-Geschichte besonders befördert worden, aber die Mollath-Geschichte hat den Haken, dass es dabei drum ging, dass der gute Herr Mollath Steuergelder retten wollte. Und das hat ihm die großen Sympathien eingetragen. Aber der Fall hat nicht gegen Paragraph 63 durchgeschlagen. Leider. Deshalb ist auch nur diese Novelle vor einem guten Jahr gekommen; war natürlich auch wieder nur Bananenkram, ein bisschen Kosmetik eben. Möge vielleicht der Eine oder Andere ein bisschen früher frei kommen. Aber ehrlich, mehr kann ich da nicht sehen. I: Nach den PsychKG, beziehungsweise Unterbringungsgesetzen der Länder, ist ja die Zwangsunterbringung die Grundlage sämtlicher anderer Zwangsmaßnahmen. (RT: Richtig.) Nach eurer Erfahrung in der Menschenrechtsarbeit, wie lange dauert so eine Unterbringung und was geschieht? RT: Ist alles willkürlich. Das kann nach ein, zwei Wochen, vielleicht ganz ausnahmsweise sogar weniger vorbei sein, aber es kann auch monatelang oder jahrelang dann andauern, immer weiter verlängert werden. Vor allen Dingen, ist es das Einfallstor dafür, auch eine Zwangsbegutachtung für eine Betreuung zu machen. Und mit einer Betreuung ist man dann sowieso verratzt. Bis man die wieder loskriegt, das ist sehr schwierig und aufwändig. Damit ist man dann entmündigt und hängt sozusagen am Tropf des Betreuers. Deswegen kann man nicht sagen, wie lange das dauert. Das ist völlig willkürlich offen. Weil es immer wieder Verlängerungsmöglichkeiten gibt, bevor dann irgendwann die Tür geöffnet wird. I: Psychiaterinnen und Psychiater halten so eine Unterbringung ja für notwendig. Wie begründen sie diese vermeintliche Notwendigkeit vor den Leuten, die sie da einsperren? Vermeintlich! Sie kommen dann immer auf die Konstruktion von Gefährlichkeit, die natürlich eine ist, die nie für alle gilt, sondern es ist immer eine Gefährlichkeit, die für den Geisteskranken dann zur Einsperrung und so weiter führt. Natürlich wird man jemanden, der z.B. mit einer Granate rumläuft, wegen Gefährlichkeit festhalten und diese abnehmen, und wahrscheinlich bekommt er sogar noch eine Strafe wegen unerlaubtem Waffenbesitz aufgedrückt. Aber in einem ordentlichen Verfahren, das für alle gilt, und nicht mit einem Sonderstrafrecht für Geisteskranke. Einem Sonderstrafrecht jenseits des Strafrechts, für eine Einsperrung und mit folterartiger Zwangsbehandlung, die durch die Behindertenrechtskonvention illegal geworden sind. Damit ist eigentlich auch schon alles gesagt. Was war die Frage nochmal, vielleicht einfach nochmal wiederholen, ich bin vielleicht abgeschweift. I: Wie die Behandler, die aus Ihrer Sicht Notwendigkeit der Behandlung begründen. RT: Ja, der Punkt ist recht einfach. Also sie machen ein Gutachten. Sie definieren, wer geisteskrank ist und wer dann gefährlich sei. Und das muss dann der Richter noch abnicken. Und dafür gibt es dann eben im fortgeschrittenen Stadium auch noch den Betreuer, der das beantragt. Das Gutachten ist Willkür. Weil das Gutachten Willkür ist, ist es eine Verleumdung, als geisteskrank bezeichnet zu werden. Daraus kann alles andere Weitere folgen. Dann ist weiterer Willkür Tür und Tor geöffnet. Aber Gefährlichkeit, wenn sie tatsächlich Kriterium wäre, müsste strafrechtlich evident sein, also beweisbar sein, man müsste sich dagegen wehren können und so weiter. Aber das ist ja alles nicht der Fall, sondern der Psychiater sagt, 'Gefährlich und krank.' und damit ist die Klappe zu und der Affe, na vielleicht nicht tot, aber auf alle Fälle ist das hinreichend, dass eingesperrt und zwangsbehandelt wird. I: Wie schätzt du die Überprüfung dieser Gefährlichkeit durch Richter und Richterinnen ein? RT: Naja, das ist wieder der gleiche-, wie soll man Folter überprüfen? Absurd. Die Frage ist wieder daneben. Entweder ist Folter prinzipiell verboten und darf auf keinen Fall sein und der Staat muss alles tun, dass das auf keinen Fall geschieht. Oder man sagt, 'Ja, wir können die Folter ja auch zivilisieren und dann muss man ab und zu mal foltern. Und zur Überprüfung haben wir noch einen Richter und Sozialarbeiter und einen Oberrichter und einen Obersozialarbeiter und noch irgendeinen Anwalt und wen sonst noch drauf gesetzt. Das ist eine reine Barockifizierung, also es wird immer verschnörkelter und ausgedehnter, immer mehr verdienen dran und immer mehr haben ihren eigenen Existenzunterhalt damit verdient, dass das System so weitergeht. Und damit nährt sich das Unrecht weiter und weiter. Also es gibt keine Möglichkeit, den Tiger zu reiten, sondern man muss den Tiger in die Wildbahn entlassen und nicht versuchen, ihn zu reiten. Man kann nicht ein Unrechtssystem zivilisieren durch irgendwelche Aufsichtsmaßnahmen. Das ist ein Fehler an sich. Bei Apartheid wäre die Frage auch bestimmt nicht aufgetaucht. Bei Apartheid -, wie könnte man sie denn kontrollieren, die Apartheid? Dass die Hütten ein bisschen hübscher sind, oder was? Dass die Diskriminierung ein bisschen parfümiert wird, oder was? Die Frage ist implizit, von der Prämisse her, schon diskriminierend. I: Der Psychiater oder die Psychiaterin beantragt diese Unterbringung und sagt dann, 'Die Person ist fremd- oder selbstgefährlich.', und der Richter oder die Richterin kommt dann, schaut sich die Person an. Wie laufen solche Unterbringungsverfahren nach eurer Erfahrung ab? RT: Wie gesagt, ein großes Drama ist es dann, wenn schon eine Betreuung aufgezwungen wurde, weil dann regelmäßig der Betreuer den Antrag stellt, auf Zuruf von Nachbarn oder egal wem, es ist nicht unbedingt immer nur ein Psychiater. Der Psychiater stellt dann das Gutachten und gibt damit dem Richter den Vorwand, das als Geisteskrankheit und gefährlich einzusegnen. Es gibt die verschiedensten Formen, die zu diesen Verfahren führen. Es kann auch, insbesondere nach den großartigen Reformen der Psychiatrie - Enquete, die da vorhin erwähnt wurden, der sozialpsychiatrische Dienst sein. Blockwart ist dafür ein bisschen zu hart gesagt, aber es ist ein Überwachungssystem, was in der Gemeinde greifen soll. Und ein Anruf bei denen, die entsprechend schon eine Kartei mal angelegt haben, da geht das ganz fix. Also da gibt es die verschiedensten Möglichkeiten, wie es zu einer Einweisung kommt. Z.B. wenn die Polizei einen aufgreift. Bei Nackttanzen zum Beispiel, auf der Straße. Es wurde zwar bestritten, dass das zu einer Zwangseinweisung führen kann, aber mit vier Beispielen konnten wir das nachweisen, die kurz davor in der Zeitung standen. Also, die Vorwände sind vielfältig, die Polizei ist geübt, dort abzuliefern. Und das wäre auch noch nicht das Übel. Aber das Übel ist, dass man dann festgehalten wird. Und umgekehrt, wenn die Polizei anliefert, dann ist das natürlich schon hinreichend, der wird gefährlich sein. Damit schließt sich das wieder kurz, die Repressionsapparate arbeiten sich gegenseitig zu und es gibt praktisch kein Entkommen mehr, wenn das, insbesondere durch so ein Willkürsystem wie die Psychiatrie, gedeckt werden kann. I: Es wurden in den letzten Jahren die gesetzlichen Grundlagen für die Zwangsmedikation überarbeitet. Viele würden sagen, jetzt ist es grundrechtskonform. Wie siehst du das? RT: Na, das ist absurd. Nochmal, man darf nicht foltern. Man kann auch nicht grundrechtskonform foltern. Dass es möglich sei, ist eine in sich bösartige Unterstellung beziehungsweise impliziert eine bösartige Prämisse. Sie ist nicht so reformiert worden, dass sie nicht mehr möglich ist. Es sind bei der letzten Reform ein paar neue Elemente dazu gekommen. Jetzt kann alles zwangsbehandelt werden, nicht nur Geisteskrankheit, sondern auch Krebs oder sonst was alles. Das war die letzte Reform dieses Jahr (I: Im Betreuungsrecht?). Über das Betreuungsrecht, genau. Und dabei wurde dann noch ins Gesetz rein gefummelt, wenn da keine Patientenverfügung dagegen steht. Aber das heißt nur, man hat den Kontrast weiter erhöht. Diejenigen, die sich mit einer geschickten Patientenverfügung rechtzeitig aus der Drohung mit Betreuung raus optioniert haben, die fallen raus. Aber alle anderen, und das ist erst mal noch die große Mehrheit, weil die große Mehrheit noch nicht die Gefahr hinreichend sieht, die sind damit noch verschärft in Gefahr gekommen. Und deswegen kann ich nur sagen, das Gegenteil war der Fall. Die große Koalition hat nochmal eine schwere Bresche für den Zwang geschlagen. Dazu kommt, und das war eigentlich so ziemlich das Traurigste, mit dem das Ganze eingeläutet wurde, dass das Verfassungsgericht sich auf einen Folterstandpunkt eingelassen hat und behauptet, es wäre eine Schutzpflicht. Voraussichtlich ist das für eine relativ lange Zeit eine Katastrophe, da niemand in der Politik sich mehr dafür erwärmen wird können, menschenrechtskonform zu handeln. Die Verfassungsrichter haben doch gesagt: Wir müssten unserer Schutzpflicht nachkommen und wunderbar, dann können wir unsere Schutzpflicht gesetzlich, von der Administration, von den Geldern her und so weiter ausbauen. Ist ja alles nur zum Besten. Aber zum Besten dafür ist in Deutschland ja auch schon mal der Massenmord passiert. I: Die Verabreichung von Psychopharmaka gilt als ärztliche Heilbehandlung. Wie würdest du die Wirkung dieser Pharmaka beschreiben? RT: Naja, das soll jedem sein Vergnügen sein, welche Drogen er nimmt. Also wenn ich Alkohol trinke und das gut finde, muss ich mit den Konsequenzen leben. Man kann z.B. schlechter fahren und das Gehirn und die Leber soll in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn ich Heroin nehme, ich habe es nicht genommen, aber die, die es nehmen, fanden das irgendwie ganz toll oder lieben vielleicht sogar das Milieu dazu. Es gibt ja viele Drogen und z.B. Haldol ist eine davon. Wer das toll findet, soll das nehmen. Das interessiert mich nicht. Aber die Grundvoraussetzung ist, dass es immer freiwillig ist. Diese Voraussetzung ist in der Psychiatrie eben gerade nicht erfüllt, weil immer auch die Drohung mit der Geschlossenen und mit dem Zwang im Raum steht, also nicht nur, dass der Zwang immer ausgeübt würde, sondern es ist auch die Drohung. Und die Offene kann ganz schnell zur Geschlossenen werden. Das wird mitunter sogar einfach so gemacht, dass die Tür einem nicht mehr geöffnet wird, bei der halboffenen Station. Also, im System des Zwangs können die Psychopharmaka und die Drogen natürlich eine besonders üble Unterdrückungsmethode sein. Sonst würde man das immer als Foltermethode sehen. In den USA, bei der Bush-Administration, hat man ja Waterboarding, und was weiß ich alles, darauf durchgeprüft, was man vielleicht zum Erpressen von irgendwelchen Informationen, verwenden könnte. Aber auch da wurde die Grenze gezogen, dass das mit Psychopharmaka Folter wäre, also nicht sein darf. Aber mit Geisteskranken kann man alles machen, die werden eben als Untermenschen betrachtet. I: Die Folterdefinition, die erfordert ja, dass die Folterhandlung ein spezifisches Ziel oder einen spezifischen Zweck verfolgt. Was ist das in der Psychiatrie? RT: Die Krankheitseinsicht, ganz typisch. Damit wird das System auch geschlossen. Deshalb müssen sie auch immer so lange weiter foltern, bis die Krankheitseinsicht erzielt sei, weil es dann ja auch eine Krankheit gewesen wäre. Es ist ein Zirkelschluss und so funktioniert das leider auch. Wir haben gegenüber dem Verfassungsgericht sogar bewiesen, dass es ein Foltergesetz und so weiter damit legitimieren würde. Aber das interessiert schlussendlich nicht, solange die Gewalt ausgeübt werden kann und es eben nur die als Untermenschen behandelten betrifft. Natürlich gibt das sonst niemanden zu, sagt doch keiner: 'Nein, nein, nein, das sind ja die Menschenrechte, ganz toll, für alle, es gibt nur leider irgendwelche Ausnahmen.' Die darf es gerade bei den Menschenrechten eben nicht geben. Und deswegen ist der Ansatz mit den Menschenrechten zwar sicherlich gut, aber es hält sich keiner dran. Das ist die traurige Erfahrung, die man mit der Behindertenrechtskonvention gemacht hat. I: (?Alex), Die Drohung mit Zwangsmedikation steht im Raum. Kannst du sagen, wie viele Menschen auf einer sogenannten geschützten oder geschlossenen Station, Medikamente nehmen, die sie eigentlich nicht nehmen wollen? RT: Diese Statistiken haben sie ja nie, müssten sie halt mal machen. Aber damit wird es nicht besser. Folter wird ja nicht damit besser, dass man immer schön aufschreibt, wie viele Folterungen es waren. Also das ist genauso wieder ein Ansatz, dass das quantitative Erfassen, die qualitative Existenz der Misshandlungen irgendwie auffliegen ließe oder irgendwie erklärbar oder rechtfertigbar machen könnte. Deswegen, die Zahlen hin oder hier, im Prinzip dürfte es keine Einzige geben. Also bei einer einzigen Zwangsbehandlung wird sich niemand mehr aufregen. Aber an sich darf es keine Einzige geben. Das war auch beim Fall Daschner klar, wo der dem Verdächtigen, von dem sich am Ende ja rausgestellt hat, dass er einen Mord an dem Jungen begangen hatte, dass er dem gedroht hatte, zu hauen, das wurde schon als Folter anerkannt, und wenn er ihn gehauen hätte, dann wäre es erst recht klar gewesen, dass es Folter wäre. In so einem Fall war auch klar, dass es nie geschehen darf. Aber Geisteskranke, immer drauf. Geht immer. Der Doktor macht es ja guten Herzens, ist gutwillig. So rationalisiert er das vor allen Dingen auch sich selbst gegenüber, dass er ja ein Arzt ist und nur helfen kann. Wenn er nur helfen kann, dann kann er auch jeden Zwang ausüben und jede Gewalt ausüben. I: Sicher kennst du das Argument von Zwangsbefürwortern, die argumentieren häufig mit dem Recht auf Gesundheit, zu dem sie den Betroffenen durch die Verabreichung von Pharmaka verhelfen. Wie stehst du dazu? RT: Das Recht auf Gesundheit ist ein besonders absurdes Recht. Weil das ja hieße, dass man gar nicht mehr sterben darf, ein Recht auf ein ewiges Leben hätte. Sterben wäre eine Rechtsverletzung, weil man ja auch nicht mehr gesund ist. Also das Recht auf Gesundheit ist in sich unsinnig. Was man sagen kann ist, dass man ein Recht auf eine medizinische Behandlung, aber nie auf Gesundheit hat. Gesundheit wäre ja sozusagen ein Normbegriff, wo sowieso alle nur noch durch getaktet und durch normiert und einheitlich durch designt sein müssten. Also das Recht auf Gesundheit kann es nie sein. Es kann nur das Recht auf medizinische Behandlung sein, und die kann natürlich wiederum nur einverständlich sein. Prinzipiell, grundsätzlich, immer und nur. In dem Moment, wo man die Gesundheit an sich zum Wert macht, ist man im Prinzip, ideologisch, sogar auf dem Weg in die Nazigeschichte. Hier war Volksgesundheit und der gesunde Volkskörper der Wert, die Norm, da wurde dann auch alles möglich. Wenn man Gesundheit zu diesem Wert macht, ist die Diktatur beziehungsweise die umfassende Therapiediktatur greifbar, das ist doch offensichtlich. Aber das liegt schon am Begriff, dass solche Behauptungen rumspuken, es gäbe ein Recht auf Gesundheit. Da ist keine fünf Minuten nachgedacht worden. Wie soll ich ein Recht auf Gesundheit haben? Was soll das sein? Das sollte mir mal jemand erklären. Es wurde bei der WHO als umfassendes Wohlbefinden definiert, auch schon ein ziemlich ungeheurer Anspruch, den man eigentlich auch nicht erfüllen kann, weil das das umfassende Paradies für jeden immer sein soll. Also ich bin da sehr skeptisch, ob die WHO sich da nicht eine Definition zugemutet hat, die eigentlich in sich widersprüchlich und unhaltbar ist. Was richtig ist, Recht auf medizinische Behandlung, auch bestmögliche meinetwegen. Das ist auch alles in Ordnung. Aber, dann ist immer schon implizit und automatisch klar, es kann nur einverständlich sein. Es kann nicht um einen Wert Gesundheit gehen, wer legt den eigentlich fest? Das ist dann immer das Ärzteheil. Sprachlich war es bei den Nazis ja heil. Heil Hitler, Heil. Da ging es immer um die Gesundheit. Das ist ein Vergleich, den man nicht ganz einfach ziehen kann, deshalb ist das eher eine Randbemerkung I: Seit einigen Jahren gibt es wieder zunehmend Behandlungen mit EKT, der sogenannten ElektroKrampf-Therapie. Weißt du von Zwangsbehandlungen mit EKT in Deutschland? RT: Naja, ich habe mal miterlebt, wie wir den Herrn Heimchen dazu befragt haben. Herr Helmchen war der Oberchefarzt in der Psychiatrie der Freien Universität. Inzwischen ist er ja nun pensioniert. Das war vor, was weiß ich, knapp 20 Jahren. Wie wir ihn damals befragt haben, hat er sich tatsächlich nicht entblödet, zu sagen, 'Ja, einmal musste ich doch eine Stunde auf den Richter rein quatschen, bis der eben endlich unterschrieben hat, dass wir mit EKT behandeln durften'. Also, bei der ganzen Elektroschock Sache, wieder ganz einfach, wenn das einer zu Hause haben will und sich dafür sogar noch einen Doktor kommen lässt und ihm das bezahlt, dann soll er das gerne haben können. Das ist wie jedes andere SM-Spiel, man soll die Möglichkeit haben, wenn man meint, dass es einem toll bekäme. Aber ansonsten, in dem medizinischen Setting, in der medizinischen Mystifikationen, die Ärzte da in ihren Krankenhäusern aufbauen, darf es nicht sein. Ganz einfach. Wenn es einer unbedingt will, gerne zu Hause, wenn es dann eben nicht mehr als medizinisch verkauft wird, sondern sozusagen als eine Verbesserung und ein Vergnügen, o.k. Aber es darf auf keinen Fall mit Zwang gehen. EKT ist in Deutschland auch nicht so stark verbreitet. Es war aber in der DDR sehr verbreitet. Ich glaube, da waren 50 Prozent der Leute elektrogeschockt worden. Das ist auch noch nicht weiter untersucht worden. In anglo-sächsischen Ländern ist es eher verbreitet. Bei uns war da immer noch so eine gewisse Scheu, aus der Erinnerung an das, was schon in der deutschen Psychiatrie passiert ist. So war man hier etwas vorsichtiger mit der Elektroschockerei. Aber es wird weiter propagiert. Dabei ist es wieder dieselbe Logik der Psychiatrie, wenn es dem Heil dient, dann muss es auch mit Zwang möglich sein. Wenn es der Gesundheit dient und man womöglich sonst gefährlich sei, warum soll dann Elektroschocken ausgeschlossen sein? Etwa weil man dabei den Film: Einer flog über das Kuckucksnest im Kopf hat, wo es halt besonders scheußlich aussieht? So wird es ja heute auch nicht mehr laufen. Da wird man vorher noch narkotisiert, aber ein Elektroschock, also ein Krampfanfall, ist es ja weiterhin. Also ich meine, es ist nur eine besonders abscheuliche Form, aber keine, die aus dem sonstigen psychiatrischem Rahmen rausfällt. Und Zahlen kenne ich nicht, kann ich nichts dazu sagen. Aber auch da wieder, wenn er gegen den Willen gemacht wird, wäre einer schon zu viel. Und wiederum, es wäre wieder eine Vortäuschung, wenn eine wissenschaftliche Erfassung das dann erträglicher machen soll, das ist absurd. Völlig abwegig. Man wundert sich, was die Leute sich da ausdenken, wenn sie solche Fragen stellen. I: Gibt es nach deinem Wissen Sterilisationen gegen den Willen der Betroffenen? RT: Also mir ist noch keine zu Ohren gekommen. Vom Gesetz her ist klar, das eben bei der Zwangssterilisation auch der natürliche Wille der Person gilt. Und genauso müsste es bei allen anderen Behandlungen auch sein. Der natürliche Wille muss immer hinreichend sein, eine Behandlung zu verweigern. Mir ist zu Zwangssterilisationen nichts bekannt geworden. Das ist vielleicht auch eher ein Bereich, wo die Lebenshilfe was mitgekriegt hat oder was gedeckt hat, Kinderheime und so weiter, bevor die erwachsen werden, da könnte das vielleicht schon der Fall sein, aber es ist kein Bereich, wo mir was zu Ohren bekommen ist. I: Während einer Zwangsunterbringung kann es zu sogenannten besonderen Sicherungsmaßnahmen kommen, zum Beispiel durch festbinden am Bett oder einsperren in einem Raum. Nach deiner Erfahrung, aus welchen Gründen wird zu solchen Maßnahmen gegriffen? RT: Weil das Personal und der Doktor das für nötig befinden, halt wollen. Die Gründe können nicht hinreichend sein, weil man ja eingesperrt ist. Jeder, der eingesperrt ist, wird sich ja wohl dagegen wehren dürfen. Das ist sozusagen Notwehr, ab dem Moment, wenn man eingesperrt wird oder womöglich dann sogar noch mit Zwang behandelt werden sollte. Und deswegen ist das immer die Willkür derer, die da willkürlich einsperren. Das ist eine andere Situation als nach einem ordentlichen Gerichtsprozess, der zu einer strafrechtliche Einsperrung geführt hat. Also, auch da, schlimm genug, oft genug und es wird viel zu wenig da reingeguckt, aber die Situation ist von vornherein eine andere. Die Rationalisierung, dass es gesundheitlich notwendig wäre und so weiter, lässt natürlich immer unberücksichtigt, dass es in der Psychiatrie, natürlich auch in der Forensik, eine unfreiwillige Situation ist. Im Zirkelschluss, kann dann jede Gewalt rationalisiert werden, aber ohne dass das so rechtfertigbar wäre. I: Wird untergebrachten Personen mit festbinden und Absonderung gedroht? RT: Ich würde sagen, ja, klar. Es wird immer damit gedroht. Teilweise wird auch erst mal nur das Bett gezeigt, wo die Fesseln drauf befestigt sind, man soll sehen, wir können auch zu solchen Methoden greifen. Also da ist alles immer drin, weil es eben ein Willkürsystem ist. Und dann wird mit Einschüchterung und mit Drohung gearbeitet und das ist natürlich ein Teil der Möglichkeiten. In der Regel, würde ich mal sagen, ist es immer sofort eine Bestrafung für ein dissidentes Verhalten. Weil es den schönen Ablauf da stört oder sonst was. Aggressiv werden muss man doch mit Zwang beruhigen. Sagen die. I: Wenn jemand ans Bett gebunden wird, welche Art der Überwachung findet dann statt? RT: Also wie wird beim Foltern überwacht? Also ich weiß nicht, die Frage finde ich so eklig, dass ich das eigentlich nicht mehr beantworten will. I: O.k. RT: Dass vielleicht mal die Pfanne öfters drunter geschoben wird, wenn man in die Hose scheißt, oder was soll die Frage? Was soll da gut überwacht sein? Soll der Penis womöglich überwacht werden, falls einer pinkelt? Also die Frage ist eklig und ich verweigere die Antwort. I: O.k. Gibt es nach deiner Erfahrung außer diesen offensichtlichen Zwangsmaßnahmen weitere Dinge, die jetzt auf einer Station gegen den Willen der dort Eingesperrten getan werden? RT: Es kann immer alles gegen den Willen passieren. Es kann sexuelle Übergriffe geben, die nicht geahndet werden können, das kann es alles geben. Weil die Person diskreditiert ist und praktisch auch kein Zeugnis mehr ablegen kann, und andererseits das Personal da im Corpsgeist zusammenhält. Also, es ist ja nun auch bekannt, dass das bis zum Verdecken von reihenweisen Morden der Fall ist. Da ist man völlig ohnmächtig und es kann immer alles passieren. Das ist eine reine Willkürsituation in einer totalen Institution. Was da alles en Detail passieren mag, das kann man sich in der Phantasie dann zusammenreimen, und das wird es wahrscheinlich auch alles irgendwo mal gegeben haben. Aber wer soll das denn beweisen? Eine Behauptung müsste man ja beweisen können. Sonst sind das wild durch die Gegend geworfene Behauptungen, das ist eigentlich unseriös. Kann ja jeder immer machen. Die Frage ist von vornherein abwegig, da die Prämisse der Situation der Zwang ist. I: Gibt es Zwang auch im außerstationären Bereich? RT: Nein, nur Drohungen gibt es immer. Der Zwang ist außerhalb der stationären Einrichtungen die Polizei. Aber insbesondere der sozialpsychiatrische Dienst kann immer mit Drohungen arbeiten. Und inzwischen, durch neue PsychKG-Gesetze kommt dazu, dass die selber sogar mal einen Schlüsseldienst holen können und aufbrechen können. Außerhalb der Psychiatrie würde ich erst mal sagen, ist man nur halbwegs geschützt. Man kann sich insbesondere mit einer geeigneten Patientenverfügung absichern und sollte das natürlich tun. Aber wenn man das nicht tut, ist man immer in Gefahr. Und alles ist praktisch möglich. Passiert nicht immer alles, aber alles ist möglich. I: Bei der Genehmigung von Zwangsbehandlungen spielt ja die sogenannte Einsichtsfähigkeit beziehungsweise Nicht-Einsichtsfähigkeit eine ganz zentrale Rolle. Wie beurteilst du die ärztlichen Kriterien dieser Einschätzung? RT: Natürlich wieder reine Willkür. Vor allem ist es ein typischer Zirkelschluss, der dabei passiert. Ja, wenn ich kein Einsehen in die Krankheit habe, die nicht akzeptieren kann, dann wäre ich ja schon krank. Also das ist ein Vorwand und eine Rationalisierung, eine weitere, wie soll man das nennen, eine weitere Heuchelei und Lüge, die da fabriziert wird. Und wie das festgestellt werden soll, wird willkürlich gehandhabt, für die Feststellbarkeit gibt es keine sicheren Kriterien. Der Arzt sagt es und der Richter glaubt es. Und wenn ein anderer darauf sagt, 'Nein, ich bin aber doch einsichtig', kann das auch wieder umgedreht werden, wird ganz absurd. Dann wird einfach die vorgetäuschte Krankheitseinsicht diagnostiziert. Wenn man dann aber sagt, 'Nein, ich bin doch einsichtig in meine Krankheit.', dann wird erst recht daraus gemacht. Du bist so krank, dann musst du akzeptieren, dass das mit dir gemacht wird, was wir wollen.' Das ist ein absurdes Ding, es ist eine Catch-22-Situation. I: Du hast vorhin schon angesprochen, dass auch untergebracht werden kann, um ein Gutachten für eine sogenannte Betreuung einzuholen. Welche besondere Rolle spielt-, spielen die Regelungen im Betreuungsrecht? RT: Nein, ich würde es eher umgekehrt sagen. Wenn man mal irgendwann da reingerutscht ist, dann ist es die ideale Voraussetzung dafür, dass eben alles Weitere kommt. Also insbesondere, kann dann die Betreuung aufoktroyiert werden, das Gutachten dafür gemacht werden, weil man ja schon eingesperrt ist, also ein Zwangsgutachten gemacht werden kann. Das rutscht dann alles durch und kann leicht gemacht werden. Im Zweifelsfall kann man auch noch einen zweiten und einen dritten Gutachter dazu holen. Das ist alles möglich. Der Betroffene ist eingesperrt. Er kann sich nicht mehr wehren. Und wenn der Betroffene nichts sagt, wird die Akte hinzugezogen und diese ist dann hinreichend. Mollath war dafür ja ein schönes Beispiel. Ich weiß nicht, waren es nicht sieben Gutachter, die alle immer nur voneinander abgeschrieben haben? Also all das geht immer. Die Betreuung ist dann die schlimmste Falle, weil die dann alle weiteren Maßnahmen ermöglicht, diese ganz leicht macht, und weil man so schwer rauskommt. Also, ich würde jedem empfehlen, auf keinen Fall die Möglichkeit überhaupt noch offen zu lassen und sich dagegen mit einer Diagnose verhindernden Patientenverfügung abzusichern. Wer da mal reingerutscht ist, muss mit allen Kräften versuchen, sich da raus zu strampeln und befreien. Man muss dafür einen Kampffond bilden und so weiter und so weiter. I: Was ist nach deiner Einschätzung die Rolle der Krankenkassen im Zusammenhang mit dem Zwang in der Psychiatrie? RT: Na, die Krankenkasse, sie verdient halt dran. Also das ist nun mal einfach das Versicherungswesen. Die Versicherung verdient an geglaubtem Risiko. Oder wenn es sogar das staatlich verordnete Risiko ist, dass man geisteskrank sein könne und das dann auch mit Zwang durchgesetzt werden kann, dann sagt die Krankenkasse, 'Ja, prima. Wir haben Spesen. Wir kriegen immer Spesen. Wir rechnen das, was reinkommt und was rausgeht und da drauf erheben wir einen kleinen Anteil für unsere eigenen Kosten. Und damit läuft es bei uns wie geschmiert.'. Also die Krankenkassen sind natürlich ein weiteres Element, dass das alles so gut funktioniert. Weil damit die ganze finanzielle Umwälzung abgesichert ist. Aber sie sind kein eigenes Element. Die würden sagen, 'Wenn wir das nicht mehr dürfen, wenn das nur noch selber jeder privat zahlen müsste oder sich eine private Versicherung gegen Geisteskrankheit machen kann, gut, machen wir das so.'. Also die sind meiner Ansicht nach keine so treibende Kraft dabei. Sie sind aber Profiteure des Systems, ohne Zweifel. Und keine, die da irgendwie Sand ins Getriebe streuen würden oder menschenrechtskonform wären. Das ist für die keine Erwägung. I: Jemand, der zwangsuntergebracht ist, welche Schutzmöglichkeiten hat diese Person? RT: Wenn Sie schon eingewiesen ist, zwangseingewiesen ist? (I: Mhm. (Bejahend)) Schutzmöglichkeiten? Dann ist sie erst mal im freien Fall. Der Betroffene kann, wenn er eine Patientenverfügung hat, sich natürlich mit einen Anwalt zur Wehr setzen und wird wahrscheinlich auch freikommen, wenn er eine gute Patientenverfügung (PatVerfü) hat. Ansonsten ist er, wie gesagt, erst mal im freien Fall. Er kann dann, das wäre eine Vorgehensweise, gute Miene zum bösen Spiel machen und immer, ja, ja, ja zu allem sagen, Tabletten brav essen und immer zum Doktor sagen, 'Ja, ich bin so krank.', um zu sehen, dass man schnell rauskommt und dann eben die schlechte Erfahrung damit beendet, dass man das für die Zukunft mit einer Patientenverfügung ausschließt. Eine andere Methode ist, andauernd viele Besuche zu bekommen, man sozusagen überwacht wird, also dauernd jemand da ist und rausträgt und rumposaunt. Vielleicht sogar das Fernsehen bestellt, das kommt aber sicherlich nie. Je dichter der Kreis derer ist, die sich um einen parteiisch kümmern, umso besser. Umso eher kann man sich da vielleicht auch wieder raus winden und umso weniger brutal wird der Zugriff. Wahrscheinlich. Aber die können immer alles rechtfertigen. Die können immer sagen, 'Der hat einen angegriffen.', egal, ob es stimmt, es ist immer alles möglich. Wie soll man sich in einer Foltersituation schützen? Also das würde ich gerne mal den fragen, der diese Fragen ausgearbeitet hat. In einer Foltersituation, wie schützt man sich da? Wahrscheinlich gestehen, oder? Auch das muss man bedenken, in der Psychiatrie gibt es ja die großartigsten Bezeichnungen und Diagnosen. Da gibt es dann die gute Fassade. Mit guter Fassade kann jeder immer eingewiesen werden. 'Der macht immer nur gute Fassade.' Der Psychiater weiß aber, sie sind verrückt und gefährlich und müssen festgehalten werden. Und dann gibt es auch noch, das ist die andere groteske Nummer, ist die vorgetäuschte Krankheitseinsicht. Wenn man schon winselt, 'Ja, ich bin krankheitseinsichtig, ich nehme alle Tabletten, bin ganz lieb.'. 'Naja, das ist nur vorgetäuscht. Sie tun nur so. Ich weiß aber, Sie sind tatsächlich noch immer nicht einsichtig und müssen jetzt weiter richtig traktiert werden.'. Also an den Beispielen sieht man, was für ein absurdes Willkürsystem das ist. I: Es gibt-, oder der Unterbringungsbeschluss, da gibt es ja die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen, um dann im besten Fall die Unterbringung zu beenden. Wie aussichtsreich ist das nach eurer Erfahrung? RT: Na ohne Patientenverfügung würde ich sagen, das ist nahezu unmöglich. Ich denke, das Beste ist, dann gleich abzuhauen. Irgendwann die Situation nutzen, wo man halt raus- und entkommen kann. Dann sich versteckt halten, nicht nach Hause gehen und bei Freunden unterkommen oder ins Ausland gehen. Am besten ist es, ab über die Grenze. Also, auf die Beschwerdeschiene darauf zu vertrauen, also-, das würde ich weit unter 20 Prozent veranschlagen. Mitunter werden auch die Beschwerden hinausgezögert. Ich kenne einen Fall, da ist sie ein halbes Jahr lang nicht bearbeitet worden, weil man immer noch gehofft hat, dass die Betreuerin die Betroffene weich knetet, dass die jetzt freiwillig dableibt, so dass deswegen kein Revisionsbeschluss mehr gefasst werden muss. Weil der Beschluss völlig unhaltbar war. Also Willkürsysteme sind dadurch charakterisiert, dass alles möglich ist, aber vor allen Dingen auch jedes Unrecht und jedes Verbrechen. I: Wird von den Behandlerinnen und Behandlern über rechtliche Möglichkeiten aufgeklärt? RT: Vor allem der Richter müsste aufklären. Das müssen die aber überhaupt nicht. Und die Behandler müssen das erst recht nicht. Das müsste der Richter machen. Behandler müssen behandeln. Da sind ja keine Juristen dabei. Also das ist weder ihr Interesse, noch ihre Aufgabe. Deswegen findet das nicht statt. I: Es gibt in einigen Landkreisen die sogenannten Beschwerdestellen Psychiatrie. Wie schätzt du deren Effektivität ein? RT: Ich meine, das sind so gut wie alle Beschwichtigungsstellen. Das ist wie das Beschwerdemanagement im Kaufhaus. Wenn das Kaufhaus selber sich eine Beschwerdestelle macht, dann ist es nur zur Abkappung von besonders misslichen Ausreißern der Produktion, aber nichts, wo tatsächlich das Unrecht irgendwie angegangen werden könnte. Das ist eine interne Revision, psychiatrieinterne Veranstaltung, die, wie gesagt, vor allen Dingen beschwichtigt und nicht eine wirklich Beschwerdemöglichkeit. Das wollen und können sie nicht leisten. Sie sind kein rechtlicher Behelf und sie dürften auch keine Rechtsberatung machen. Sie können eigentlich nur ein bisschen, na, Händchen halten und vielleicht sagen, 'Ja, ich sage es deinem Psychiater. Und wenn der ganz nett ist, dann lässt er vielleicht auch mal nach oder so.'. Also, auf alle Fälle ist das eine typische Falle und ein Vertuschungsmanöver vor allem von der Sozialpsychiatrie. Es gab früher mal Beschwerdezentren, die sich da ehrlich bemüht und auf einen Ombudsmann gehofft haben. Aber das hat sich alles verlaufen, und stattdessen ist eben die Sozialpsychiatrie mit ihrem eigenen Apparat da rangegangen und hat Gelder freigemacht, um einen weiteren Barock-Engel an den Himmel zu hängen. Wenn der Zwang nicht existierte, könnte es das gar nicht geben. I: Wenn jemand bereits eine psychiatrische Diagnose erhalten hat, wie rechtssicher sind dann noch die Patientenverfügungen? RT: Man sollte bei Unterzeichnung der Patientenverfügung bestätigen lassen, dass man geschäftsfähig war. Wir empfehlen immer, das durch eine Beurkundung beim Notar zu machen. Wenn man eine hat, ist danach alles davor wieder abgewaschen. Das davor gibt es ja dann nicht mehr, denn insbesondere mit der Patverfü wird auch die Diagnose untersagt. Wenn dann unterschrieben wird und die Unterschrift nochmal abgedichtet wird durch ein Attest beziehungsweise eine notarielle Beurkundung, dann gibt es keinen Zweifel mehr. Auch eine Nachbegutachtung geht nicht mehr. Wenn der Richter sagen solle 'Nein, das glaube ich aber nicht. Jetzt müssen Sie sich aber nochmal neu von meinem Gefälligkeitsgutachter begutachten lassen.'. Das geht nicht, weil man das ja gerade untersagt hat. Damit ist das Ding dann auch dicht. Wenn man das nicht so macht, sondern eben alles doch druch eine (Zwangs-) Diagnosemöglichkeit offen lässt, dann klar, dann könnte natürlich wieder behauptet werden, rückwärts begutachtet könne jetzt festgestellt werden, dass man damals auch schon geisteskrank gewesen sei. Also, man muss da sehr aufpassen, was für eine Patientenverfügung man macht, dass da keine Lücke bleibt. Dazu ein kleines Attest, was auch jeder Hausarzt erst mal machen kann und am besten sogar notariell beurkundet, dann ist die Verfügung dicht. Dann lassen sie Ärzte auch schnell nach. Weil sie genau wissen, dass sie nichts mehr durchsetzen können, sich eigentlich nur noch eine blutige Nase holen können und die Auseinandersetzung verlieren würden. Da knicken die dann gleich ein, wenn man so was vorzeigt. Das entschuldigt aber selbstverständlich nicht, dass es diese Möglichkeit gibt, das weiterhin alle, die nicht so geschützt sind, so misshandelt werden und gefoltert werden können. Das darf doch nie der Fall sein. Es darf nicht sein, dass ich mich von Folter erst freisprechen und eine Erklärung machen muss, 'Ich will aber nicht gefoltert werden.' und die Unterschrift dann nochmal zu zertifizieren ist. Von Folter muss man grundsätzlich immer frei sein. Etwas ganz anderes ist es, wenn ich das will, dass ich dann jedes SM-Spiel autorisieren kann. Es ist nicht die Frage, dass man sich sozusagen nicht misshandeln lassen dürfe, wenn man vorab schriftlich zugestimmt hat. Aber dann ist das alles schon geregelt. Wir haben die Patientenverfügung, mit der man eben genau auch regeln kann, dass man zwangsbehandelt werden möge und so weiter und so weiter. Aber so etwas will ja niemand unterschreiben. Wenn man mal fragt, wer will denn so eine Vorausverfügung unterschreiben, dann will das niemand, merkwürdigerweise auch die Professionellen nicht. Und damit ist klar, dass es immer nur die Anderen sind, die misshandelt werden sollen und werden. Auf einen selber trifft das ja nicht zu. Das zeigt, wie böse das Ganze ist. Also, verschone mein Haus, ich zünde andere an. I: Noch eine abschließende Frage. Was ist deiner Meinung nach das gewichtigste Problem mit Zwang in der Psychiatrie? RT: Dass Psychiater staatlich geschützte Verbrecher sind. Sobald der staatliche Schutz wegfallen würde und Freiheitsberaubung und Körperverletzung, wie bei jedem anderen, der so ein Verbrechen begeht, der Strafverfolgung anheimfällt, geklagt werden könnte und der Staatsanwalt ermitteln müsste und so weiter, dann wäre das alles kein Problem mehr. Ohne staatlichen Schutz ist das Huhn gerupft, das Zwangshuhn. |
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